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Geltungszeitraum von: 01.04.2015

Geltungszeitraum bis: 31.12.2023

830. Ordnung für den kirchlichen Dienst an Gehörlosen

Erlaß des Oberkirchenrats vom 29. Juni 1999 (Abl. 58 S. 263), geändert durch Erlass des Oberkirchenrats vom 27. Januar 2014 (Abl. 66 S. 310)

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Der Dienst der Kirche an Gehörlosen erfordert besondere Formen der Verkündigung, Seelsorge und Diakonie. Er soll die Gehörlosen vor Isolierung in Kirche und Gesellschaft bewahren, ihnen die Botschaft des Evangeliums sowie psychosoziale Hilfen vermitteln. Die Gehörlosenseelsorge geschieht im Einklang mit dem Inklusionsgedanken. Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention sind die Sprache und die Kultur der Gehörlosen als unverzichtbare Voraussetzung einzustufen und zu schützen (v. a. in Artikel 30.4.). Die Gehörlosenseelsorge und die Beratungsstelle für Hörgeschädigte des Diakonischen Werks in Württemberg arbeiten zusammen. In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg geschieht dieser kirchliche Dienst nach folgender Ordnung, die im Einvernehmen mit dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. (Diakonisches Werk) erlassen wird.
1.
Gehörlosendienst des Diakonischen Werkes
Die Wahrnehmung diakonischer Aufgaben auf Landesebene wird dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. übertragen (siehe Vereinbarung zwischen Landeskirche und Diakonischem Werk vom 28. Februar 1970).
1.1
Gehörlosenseelsorge
Hierfür besteht bei der Landesgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes Württemberg eine Pfarrstelle und eine Diakonenstelle für Gehörlose. Die Arbeit wird durch privatrechtlich angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt und ergänzt. Deren Einstellung und Kündigung erfolgt durch das Diakonische Werk im Einvernehmen mit dem Leitungskreis. Die unmittelbare Dienstaufsicht über die Gehörlosenpfarrerin oder den Gehörlosenpfarrer liegt im Benehmen mit dem/der Leitungskreisvorsitzenden bei dem zuständigen Mitglied des Vorstandes des Diakonischen Werkes.
Zu den Aufgaben der Gehörlosenseelsorge gehören vor allem:
  • Anleitung und Fortbildung der nebenamtlichen Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger
  • Unterstützung und Vertretung der nebenamtlichen Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger bei den Aufgaben der Verkündigung und Seelsorge an Gehörlosen
  • Organisation und Durchführung von Landestreffen, Freizeiten, regionalen Zusammenkünften von Gehörlosen u. ä.
  • Schulung und Begleitung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Gehörlosenseelsorge
  • Seelsorgerliche Angebote im Rahmen der landeskirchlichen Aufgaben
  • Förderung des ehrenamtlichen Engagements
  • Verständnis schaffen für die Lebenssituation gehörloser Menschen
  • Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen
1.2
Beratung für Hörgeschädigte
Hierfür werden bei der Landesgeschäftsstelle hauptamtliche Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen und Sozialarbeiter/-pädagogen angestellt. Ihre Einstellung erfolgt durch das Diakonische Werk im Einvernehmen mit dem Leitungskreis.
Zu den Aufgaben der Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen und Sozialarbeiter/-pädagogen gehören insbesondere:
  • Beratung und Begleitung von Gehörlosen und ihren Angehörigen in persönlichen Schwierigkeiten und sozialen Fragen
  • Vertretung der Interessen der Gehörlosen bei Arbeitgebern, Ämtern, Behörden, Gerichten u. ä.
  • Vermittlung materieller Hilfen
  • Anregung und Vermittlung von Selbsthilfen, die dazu dienen, Kommunikations- und psychosoziale Schwierigkeiten zu überwinden
  • Zusammenarbeit und regelmäßiger Austausch mit der Gehörlosenseelsorge unter Beachtung von Datenschutz und Verschwiegenheit sowie dem Seelsorgegeheimnis.
1.3
Die Kosten der Fort- und Weiterbildung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der diakonischen Arbeit und der Geschäftsführung für den Leitungskreis der Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger werden vom Diakonischen Werk getragen. Die Landeskirche stellt hierfür die erforderlichen Mittel zur Verfügung.
2.
Gehörlosenseelsorge in den Kirchenbezirken
2.1
Die Aufgaben der Seelsorge und Verkündigung an Gehörlosen in den Kirchenbezirken wird an Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer und/oder Diakoninnen und Diakone im Nebenamt übertragen. Sie erhalten dafür eine Einführung in die Arbeit und eine Ausbildung in der Deutschen Gebärdensprache. Die nebenamtlichen Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger sind für Gehörlose in ihrem Bezirk (und ggf. weiteren ihnen zugeordneten Bezirken) zuständig.
2.2
Die nebenamtlichen Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger werden auf Empfehlung des Leitungskreises vom Oberkirchenrat mit Zustimmung der jeweiligen Dekanin/des jeweiligen Dekans berufen.
Nebenamtliche Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger sollen von Aufgaben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit entsprechend den Anforderungen des örtlichen Auftrages in der Gehörlosenseelsorge entlastet werden.
Zu den Aufgaben der Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger gehören vor allem:
  • Gehörlosengottesdienste
  • Seelsorge
  • Übernahme von Kasualien
  • Verständnis schaffen für gehörlose Menschen
  • Teilnahme an den Arbeitstagungen für Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger
2.3
Gehörlosengottesdienste können auch von Prädikanten/Prädikantinnen mit entsprechender Ausbildung und Gebärdensprachkompetenz durchgeführt werden.
2.4
Die Sachkosten für die Arbeit der Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger trägt der jeweilige Kirchenbezirk (ggf. gemeinsam mit den weiteren zugeordneten Bezirken).
3.
Gehörlosenseelsorge auf der Ebene der Landeskirche
3.1
Leitungskreis
Die Arbeit der Gehörlosenseelsorge wird auf landeskirchlicher Ebene von einem Leitungskreis mitverantwortet.
3.1.1
Der Leitungskreis besteht aus der Vorsitzenden/dem Vorsitzenden und den beiden Stellvertreterinnen/Stellvertretern, der hauptamtlichen Gehörlosenpfarrerin/dem hauptamtlichen Gehörlosenpfarrer, dem zuständigen Mitglied des Vorstands des Diakonischen Werks und der Diakonin/dem Diakon für Gehörlosenseelsorge. Gehörlosenseelsorger/innen mit mindestens 50 % Dienstauftrag können mit beratender Stimme an den Sitzungen teilnehmen.
3.1.2
Die Vorsitzende/der Vorsitzende des Leitungskreises wird vom Oberkirchenrat auf Vorschlag der Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger jeweils für die Dauer von 5 Jahren berufen. Die Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger wählen außerdem, ebenfalls für 5 Jahre, deren/dessen zwei Stellvertreter/innen.
3.1.3
Aufgaben des Leitungskreises
  • Entscheidung über Grundsätze und Ziele des Dienstes an Gehörlosen (mit Ausnahme der Beratung für Hörgeschädigte)
  • Begleitung der kirchlichen Beauftragten in ihrem Dienst
  • Weiterentwicklung des kirchlichen Auftrags an Gehörlosen
  • Erarbeitung von Vorschlägen für die Berufung nebenamtlicher Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger an den Evangelischen Oberkirchenrat
  • Erarbeitung von Vorschlägen für den Einzelplan „Dienst für Gehörlose“ im Rahmen des Wirtschaftsplans des Diakonischen Werkes Württemberg
3.1.4
Bei Bedarf werden die privatrechtlich angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gehörlosensozialarbeit zu den Sitzungen eingeladen. Sie nehmen beratend an den Sitzungen teil.
3.2
Arbeitstagung
3.2.1
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gehörlosenseelsorge kommen in der Regel einmal jährlich zur Arbeitstagung zusammen. Mit der Arbeitstagung ist eine kontinuierliche Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden. Die Teilnahme an der Arbeitstagung gehört zur dienstlichen Verpflichtung der Gehörlosenseelsorgerinnen und Gehörlosenseelsorger. Bei Pfarrerinnen und Pfarrern handelt es sich hierbei um dienstliche Abwesenheit gemäß Nummer 11.2 Urlaubs- und Stellvertretungsordnung.
3.2.2
Die Arbeitstagung dient
  • der Vernetzung der Gehörlosenseelsorge der Kirchenbezirke
  • der Festlegung von Themen für die Weiterbildung
  • der Weitergabe von Informationen über die Gehörlosenkultur
  • der Wahl der zu wählenden Mitglieder des Leitungskreises. Sie schlägt eine / einen Vorsitzenden des Leitungskreises zur Berufung durch den Oberkirchenrat vor.