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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Urteil
Datum:19.03.2010
Aktenzeichen:VG 06/08
Rechtsgrundlage:§ 19 Abs. 1 KVwGG; § 67 KBG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Mitarbeitervertretung - Beteiligung, Rechtsmittelbelehrung - Form, Ruhestandsversetzung - Antragsanfechtung, Ruhestandsversetzung auf Antrag, Schwerbehindertenvertretung - Beteiligung, Wiedereinsetzung, Zurruhesetzungsverfügung - Wirksamkeitszeitpunkt

Leitsatz

und Urteil des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 19. März 2010

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Leitsatz:

  1. Eine Rechtsmittelbelehrung ist auch dann ordnungsgemäß, wenn sie nicht unmittelbar auf dem Bescheid angebracht wird, sondern auf einem dem Bescheid beigefügten gesonderten Blatt erfolgt.
  2. Eine unterbliebene Beteiligung der Mitarbeiter- oder Schwerbehindertenvertretung stellt im Rahmen einer Entscheidung über die Versetzung in den Ruhestand nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen keinen schwerwiegenden Fehler dar, der zur Nichtigkeit der Entscheidung führen könnte.
  3. Zu den Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung eines Antrags auf Zurruhesetzung.
  4. Ein Antrag auf Zurruhesetzung kann nur bis zu dem Zeitpunkt zurückgenommen werden, zu dem die Zurruhesetzungsverfügung wirksam geworden ist.
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Az: VG 06/08
In der Verwaltungsrechtssache
...
Prozessbevollmächtigt:
...
- Kläger -
gegen
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertreten durch den Oberkirchenrat,
dieser verteten durch die Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Beklagte -
wegen
Versetzung in den Ruhestand
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch
den Richter am Verwaltungsgericht a. D. Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Dekanin Wiebke Wähling als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Klaus Dieterle als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2010 am 19. März 2010 für Recht erkannt:
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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Tatbestand:

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Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand.
Der Kläger wurde im Jahre 1946 geboren. Zuletzt war er als Kirchenverwaltungsamtsrat beim Rechnungsprüfamt der Landeskirche beschäftigt. Er ist zu 80 % schwerbehindert.
Mit undatiertem Schreiben, das nach einem bei den Akten befindlichen Vermerk am 8. November 2006 beim Oberkirchenrat eingegangen ist, beantragte der Kläger seine Versetzung in den Ruhestand „nach § 28 des Kirchenbeamtengesetzes“ mit Ablauf des 31. März 2008. Dieses Schreiben behandelte der Oberkirchenrat gleichzeitig als Widerruf eines bereits mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 eingegangenen ersten Antrags auf Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. August 2008.
Mit Schreiben vom 20. April 2007 wurde dem Kläger eine vom Landesbischof unterzeichnete Urkunde übersandt, wonach er seinem Antrag entsprechend nach § 67 Abs. 1 des Kirchenbeamtengesetzes der EKD mit Ablauf des 31. März 2008 in den Ruhestand versetzt wird. Auch in dem Schreiben selbst hieß es, der Landesbischof versetze den Kläger seinem Antrag entsprechend nach § 67 Abs. 1 des Kirchenbeamtengesetzes mit Ablauf des 31. März 2008 in den Ruhestand. Dem Schreiben lag ein gesondertes Blatt mit einer Rechtsmittelbelehrung bei, wonach gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden könne; dieses Blatt war nicht unterschrieben. Der Kläger bestätigte den Empfang der Urkunde über seine Zurruhesetzung und des Schreibens des Oberkirchenrats vom 20. April 2007 unter dem Datum vom 15. Mai 2007.
Mit Schriftsatz vom 26. November 2007 zeigte die damalige Verfahrens- und heutige Prozessbevollmächtigte des Klägers an, dass sie den Kläger vertrete. Sie bat um die Gewährung von Einsicht in die Personalakte des Klägers.
Am 12. Februar 2008 erhob der Kläger durch seine Verfahrensbevollmächtigte Widerspruch gegen den Zurruhesetzungsbescheid vom 20. April 2007. Zur Begründung wurde dargelegt, der Widerspruch sei nicht verfristet, da dem Bescheid eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt gewesen sei. Eine Rechtsmittelbelehrung müsse Bestandteil des Bescheids sein, also im Bescheid selbst enthalten und unterschrieben sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.
Rein vorsorglich werde der Antrag auf Zurruhesetzung auch gemäß § 123 BGB wegen Drohung angefochten. Der Antrag des Klägers sei nur darauf zurückzuführen, dass sein Vorgesetzter, Herr Dr. H., ihn jahrelang unter Druck gesetzt habe. Diese Darstellung wird im Folgenden unter Schilderung des beruflichen Werdegangs des Klägers vertieft. Zusammenfassend wird dargelegt, der Kläger sei durch dauernde unberechtigte Vorwürfe, den Entzug seiner Arbeitsmittel und seiner Aufgaben sowie durch die Drohung dienstlicher Konsequenzen im Falle des Unterbleibens eines Antrags auf Zurruhesetzung psychisch derart zermürbt gewesen, dass er die entsprechende Erklärung dann unterschrieben habe.
Hinzugekommen sei, dass er seit 2005 durch fortlaufende Störungen in der Nachtruhe wegen Lärmbelästigungen in seiner Dienstwohnung nervlich erheblich belastet gewesen sei.
Ferner werde gerügt, dass im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens weder die Mitarbeitervertretung noch die Schwerbehindertenvertretung beteiligt worden sei, obwohl der Kläger dies stets gefordert habe.
Ergänzend vorgelegt wurde ein ärztliches Attest von Herrn Dr. A., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 7. November 2007. Darin heißt es, zum Zeitpunkt der Unterschrift unter den Antrag auf Zurruhesetzung habe beim Kläger eine relevante psychische Krankheitssymptomatik vorgelegen. Diese habe dazu geführt, dass der Kläger die Folgen der Unterschrift nicht in einer realitätsbezogen gesunden psychischen Verfassung habe „tätigen“ können, und damit auch die Folgen krankheitshalber nicht ausreichend habe abschätzen können. Zwischenzeitlich sei wieder ein stabiler psychischer Zustand erreicht worden.
Mit Bescheid vom 18. März 2008 wies der Oberkirchenrat den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde dargelegt, der Widerspruch sei unzulässig. Dem Bescheid über die Zurruhesetzung habe eine korrekte und wirksame Rechtsbehelfsbelehrung beigelegen. Auch eine dem Bescheid beigefügte nicht eigens unterschriebene Rechtsbehelfsbelehrung setze nach der Rechtsprechung den Lauf der Widerspruchsfrist in Gang. Nach allem habe der Widerspruch spätestens am 15. Juni 2007 beim Oberkirchenrat eingehen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei der angefochtene Bescheid bestandkräftig geworden.
Auch die Erklärung der Anfechtung des Antrags auf Zurruhesetzung sei verfristet. Die Anfechtung habe vorliegend nicht binnen der Frist des § 124 BGB, sondern unverzüglich bzw. nach Wegfall der Bedrohungslage erklärt werden müssen, da nur dies dem öffentlichen Interesse an einer alsbaldigen Klärung des beamtenrechtlichen Status hinreichend Rechnung trage.
Gründe, die im Hinblick auf die Fristversäumnisse eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 20 KVwGG rechtfertigen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Die über ein halbes Jahr nach Erhalt des Bescheides verfasste ärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. A. beschreibe nur relativ vage eine psychische Krankheitssymptomatik während eines nicht näher bestimmten Zeitraums. Zudem wäre ein Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, also ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attests vom 7. November 2007 spätestens am 21. November 2007, zu stellen gewesen. Auch dies sei nicht geschehen.
Im Übrigen wäre der Widerspruch - hilfsweise - auch unbegründet. So entbehre eine Anfechtung der genannten Erklärung analog § 123 BGB wegen Drohung jeder tatsächlichen Grundlage. Es sei zu keiner Zeit eine widerrechtliche Drohung durch den Leiter des Rechnungsprüfamts ausgesprochen worden.
In formaler Hinsicht wird geltend gemacht, der Kläger habe im Vorfeld seiner Zurruhesetzung nie die Beteiligung der Mitarbeitervertretung bzw. der Vertrauensperson der Schwerbehinderten verlangt. Er habe sich erst einige Zeit nach Erhalt des Bescheides über seine Zurruhesetzung an diese Gremien gewandt. Im Übrigen führe ein eventueller Verstoß gegen § 51 Abs. 3 MVG nicht zur Rechtswidrigkeit des ergangenen Bescheids.
Für die Annahme einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers bei Antragstellung oder später sei ebenfalls nicht ausreichend vorgetragen worden.
Am 18. April 2008 hat der Kläger das Verwaltungsgericht angerufen. Er wiederholt und vertieft – zum Teil mit Beweisangeboten – seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend vorgelegt wird eine weitere ärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. A., datierend vom 18. April 2008. Vorgelegt wird ferner eine ärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. St., Facharzt für Allgemein Medizin, vom 19. Mai 2008. Schließlich beruft sich der Kläger noch auf eine „nervenfachärztliche Bescheinigung“ von Dr. D., Neurologe und Psychiater, vom 2. Oktober 2007. Dort heißt es, der Kläger habe sich in Behandlung dieses Arztes begeben, da er durch Lärmbelästigung in seiner Wohnung wesentliche Einbußen seines Wohlbefindens gehabt habe. Der Kläger sei deshalb in eine Situation geraten, in der er seiner Zurruhesetzung zum 31. März 2008 zugestimmt habe, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufhören wolle, zumal er dann wesentliche Einbußen an seiner Pension hinnehmen müsste. Der Kläger sei im Gegenteil von neurologisch-psychiatrischer Seite immer noch in der Lage, eine Berufstätigkeit auszuführen, wahrscheinlich auch bis zum Jahre 2009. Der Kläger sei aufgrund der Auseinandersetzungen und der Belastungen durch die Lärmbelästigung nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig Widerspruch einzulegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Oberkirchenrats vom 20. April 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Ausführungen.
Dem Gericht haben die in der Sache angefallenen Akten des Oberkirchenrats vorgelegen. Auf sie und auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
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Gründe:

Die Klage ist unzulässig. Der vorliegend erhobenen Anfechtungsklage mangelt es an der Sachurteilsvoraussetzung des ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 KVwGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und, soweit nicht ein Kirchengesetz etwas anderes bestimmt, Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eine Fallgestaltung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 KVwGG, wonach es einer solchen Nachprüfung nicht bedarf, ist vorliegend nicht gegeben; insbesondere verlangt § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Kirchenbeamtenausführungsgesetzes die Durchführung eines Vorverfahrens auch in Fällen, in denen die streitgegenständliche Maßnahme vom Oberkirchenrat getroffen worden ist (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KVwGG). Das Vorverfahren wird eingeleitet mit der Erhebung des Widerspruchs (§ 29 KVwGG), der nach § 30 KVwGG innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Dienststelle zu erheben ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat; die Frist wird auch durch Einlegung beim Oberkirchenrat gewahrt.
Vorliegend wurde dem Kläger der angefochtene Bescheid vom 20. April 2007 am 15. Mai 2007 bekannt gemacht, Widerspruch wurde vom Kläger jedoch erst am 12. Februar 2008 und damit weit nach dem Montag, dem 16. Juni 2008, an dem die Widerspruchsfrist endete, eingelegt. Der Widerspruch war damit verfristet.
Der Kläger kann diesbezüglich nicht erfolgreich geltend gemacht werden, im konkreten Fall habe die Widerspruchsfrist nicht einen Monat, sondern mangels ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung ein Jahr betragen.
Allerdings ist zutreffend, dass die Frist für einen Rechtsbehelf nur dann zu laufen beginnt (vgl. § 19 Abs. 1 KVwGG), wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Dienststelle oder das Verwaltungsgericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist; ansonsten - wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist - ist das Rechtmittel regelmäßig innerhalb eines Jahres einzulegen (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 KVwGG). Im Hinblick auf den vorliegend angefochtenen Bescheid ist freilich festzustellen, dass die Rechtsmittelbelehrung inhaltlich und der Form nach ordnungsgemäß erfolgt ist.
Die Tatsache, dass ihm mit der Ruhestandsverfügung auch eine Rechtsmittelbelehrung übergeben worden ist, wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt. Die Belehrung ist auch formell ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger kann nicht damit gehört werden, diese Belehrung sei unwirksam oder fehlerhaft, weil sie auf einem besonderen Blatt erfolgte und nicht unterschrieben war. Denn derartigen Anforderungen muss eine wirksame Rechtsmittelbelehrung nicht genügen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 19 Abs. 1 KVwGG, der den Beginn eines Fristlaufs für ein Rechtsmittel lediglich an die Tatsache der schriftlichen Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung knüpft und keine weiteren formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen aufstellt. Es entspricht deshalb auch im staatlichen Bereich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass auch eine nicht unterschriebene Rechtsbehelfsbelehrung den Lauf der einschlägigen Frist in Gang setzt (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1992 - 6 B 46/91 -, juris; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., RdNr. 7 zu § 58).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist nach § 30 Abs. 2 i. V. m. mit § 20 KVwGG.
Nach § 20 Abs. 1 KVwGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dieser Antrag ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 KVwGG binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Jedenfalls an letztgenannter Vorschrift scheitert die Gewährung einer Wiedereinsetzung im Falle des Klägers, weshalb nicht zu prüfen ist, ob der Kläger während des Laufs der oben näher beschriebenen einmonatigen Widerspruchsfrist tatsächlich unverschuldet an der Einlegung des Widerspruches verhindert war.
Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass sich der Kläger auf einen derartigen Tatbestand aufgrund von Beeinträchtigungen seines psychischen Gesundheitszustandes berufen könnte, so war dieses Hindernis jedenfalls am 7. November 2007 - möglicherweise auch bereits am 2. Oktober 2007 - entfallen. In der vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Bescheinigung von Dr. A. vom 7. November 2007 wird nämlich am Ende ausgeführt, „zwischenzeitlich (habe) wieder ein stabiler psychischer Zustand erreicht werden“ können. Und in der nervenfachärztlichen Bescheinigung von Dr. D. vom 2. Oktober 2007 wird dargelegt, der Kläger sei „von neurologisch-psychiatrischer Seite immer noch in der Lage, eine Berufstätigkeit auszufüllen, wahrscheinlich auch bis zum Jahre 2009“. Ist danach davon auszugehen, dass sich der Kläger im Herbst 2007 wieder in einem stabilen psychischen Zustand befand, der es ihm ermöglichte, seiner beruflichen Tätigkeit beim Rechnungsprüfungsamt nachzugehen, so spricht nichts dafür, dass er zu diesem Zeitpunkt noch außer Stande gewesen wäre, seine persönlichen Angelegenheiten (wieder) ordnungsgemäß zu besorgen und eine von rationalen Überlegungen getragene Entscheidung über die Einlegung eines Widerspruches gegen die hier im Streit befindliche Verfügung zu treffen. Unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 2 Satz 1 KVwGG hätte damit ein Wiedereinsetzungsantrag bzw. die Einlegung des Widerspruchs - ausgehend von der ärztlichen Bescheinigung vom 7. November 2007 - spätestens bis zum 21. November 2007 erfolgen müssen. Tatsächlich wurde Widerspruch jedoch - wie erwähnt - erst am 12. Februar 2008 erhoben.
Die Einhaltung der Widerspruchsfrist wäre allerdings dann rechtlich bedeutungslos, wenn die Verfügung über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand nichtig wäre. Denn einem nichtigen Verwaltungsakt kommt - auch ohne dass es dessen Aufhebung bedürfte - von Anfang an keine Rechtswirkung zu. Eine solche Fallgestaltung ist mit Blick auf die im Streit befindliche Zurruhesetzungsverfügung jedoch nicht gegeben.
Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ist ein Verwaltungsakt nichtig - und nicht nur schlicht rechtswidrig -, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offenkundig ist. Hiervon wird ausgegangen, wenn dem Verwaltungsakt seine Rechtswidrigkeit gleichsam „auf die Stirn geschrieben“ ist. So verhält es sich indes im konkreten Fall nicht.
Ein offenkundiger und schwerwiegender Fehler der Entlassungsverfügung ist nicht darin zu sehen, dass vor Erlass der Entscheidung keine Beteiligung der Mitarbeiter- oder der Schwerbehindertenvertretung erfolgt ist. Dabei braucht nicht geklärt zu werden, ob seitens des Klägers eine solche Beteiligung beantragt oder angeregt worden ist, was im Übrigen von Beklagtenseite bestritten wird. Denn es ist bereits fraglich, ob die Nichtbeteiligung der genannten Organe überhaupt zu einer die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts rechtfertigenden Rechtswidrigkeit führen könnte. Jedenfalls würde es sich aber - einen Anspruch des Klägers auf entsprechende Beteiligung unterstellt - jedenfalls nicht um einen schwerwiegenden Fehler im beschriebenen Sinne handeln, der zum Verdikt der Nichtigkeit der Verfügung führen könnte.
Nicht mit Erfolg geltend machen kann der Kläger auch, dass sein Entlassungsantrag wegen einer psychischen Erkrankung unwirksam mit der Folge der Nichtigkeit der Ruhestandsverfügung gewesen sei. Denn es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, insbesondere lassen sich solche auch nicht den ärztlichen Bescheinigungen entnehmen, dass der Kläger tatsächlich im November 2006 die rechtliche und tatsächliche Tragweite eines solchen Antrags nicht hätte in ausreichendem Umfang überblicken können. Immerhin leistete er zum damaligen Zeitpunkt in vollem Umfang Dienst beim Rechnungsprüfamt.
Schließlich hat der Kläger auch mit der Anfechtung des Entlassungsantrags wegen Drohung keinen Erfolg. In diesem Zusammenhang ist der allgemeine beamtenrechtliche Grundsatz zu beachten, wonach die Anfechtung eines Entlassungsantrags unverzüglich, nämlich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes ohne schuldhaftes Zögern, zu erklären ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970 – II C 5. 66 – BVerwGE 37, 19 ff. m. w. N.). Die Besonderheiten der Stellung eines Kirchenbeamten erfordern keine vom staatlichen Recht abweichende Beurteilung.
Demnach ist festzustellen, dass der Kläger seine Anfechtungserklärung nicht unverzüglich im Sinne der genannten Rechtsprechung abgegeben hat. Denn aus den von ihm vorgelegten und bereits zitierten ärztlichen Bescheinigungen ergibt sich, dass er sich spätestens zum 7. November 2007 wieder in einem stabilen psychischen Zustand befand, woraus zu schließen ist, dass er zu diesem Zeitpunkt auch eine Entscheidung über die Anfechtung seines Entlassungsantrags hätte treffen können. Selbst wenn man dem Kläger aber noch eine gewisse Entscheidungsfrist zugestehen wollte, so wäre diese im Hinblick auf die Notwendigkeit der unverzüglichen Geltendmachung der Anfechtung spätestens Ende November 2007 abgelaufen gewesen. Die Anfechtung wurde tatsächlich jedoch erst im Rahmen des Widerspruchs, der am 12. Februar 2008 beim Oberkirchenrat eingegangen ist, erklärt.
Die von der Rechtsprechung verlangte unverzügliche Anfechtung ist damit nicht feststellbar. Nur am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass sich den vorliegenden Akten auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Kläger tatsächlich durch Drohung zur Stellung des Entlassungsantrags veranlasst worden wäre.
Dem Begehren des Klägers könnte schließlich auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn die Anfechtungserklärung in eine Erklärung der Rücknahme des Entlassungsantrages umgedeutet werden müsste, und das Fehlen eines wirksamen Entlassungsantrags ebenfalls zur Nichtigkeit einer gleichwohl ergangenen Zurruhesetzungsverfügung führte. Denn insoweit gilt der beamtenrechtliche Grundsatz, dass ein Antrag auf Zurruhesetzung nur so lange zurückgenommen werden kann, bis der (mitwirkungsbedürftige) Verwaltungsakt - hier die Zurruhesetzungsverfügung vom 20. April 2007 - durch Zustellung an den Beamten wirksam geworden ist (vgl. Summer in GKÖD, RdNr. 4 zu § 47 BBG). Die Aushändigung der Zurruhesetzungsverfügung erfolgte im konkreten Fall aber bereits am 15. Mai 2007, die Anfechtung des zugrundeliegenden Antrags wurde jedoch - wie erwähnt - erst am 12. Februar 2008 erklärt.
Nach allem ist die Klage abzuweisen,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.
(Müller)
(Eiche)
(Wähling)
(Dieterle)
(Dr. Deuschle)
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Beschluss
vom 19. März 2010

Der Streitwert wird gemäß § 97 Abs. 1 KVwGG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 € festgesetzt.
(Müller)
(Eiche)
(Wähling)
(Dieterle)
(Dr. Deuschle)